Wir wurden uns nun schnell einig, zu Beginn des nächsten Fliegeralarms sofort bei Wächter zu melden, daß als Folge des Weckverfahrens die Asbestplatte zerborsten sei. Dieser Plan konnte jedoch nur funktionieren, wenn keiner unserer Vorgesetzten vor dem nächsten Alarm, der in der Nacht zu erwarten war, unsere Bude betreten würde. Zumal häufig nach 21.00 Uhr kontrolliert wurde, ob wir ordnungsgemäß in den Betten lagen und der Stubendienst die Bude auf Hochglanz gebracht hatte, vergingen bange Stunden. Aber zum Glück erschien niemand.
Nun hieß es, auf Alarm und darauf zu warten, ob Wedel uns auf die gewohnte Weise wecken würde. Es war die einzige Gelegenheit, bei der wir einen Alarm herbeisehnten.
Endlich, gegen 23.00 Uhr, hatten die Jungs von der RAF ein Einsehen und bescherten uns den erwünschten Alarm. Erwartungsgemäß ließ auch Wedel seine Fäuste gegen die Barackenwand wirbeln, worauf in unserer Bude großes Geschrei anhub. Alsdann rannte ich sofort in die Zugführerbaracke, um dort die Zertrümmerung der Asbestplatte zu vermelden. Wächter nahm diese Nachricht mit demonstrativer Gelassenheit entgegen. Beim Batteriekommando wurde also offenbar nicht bezweifelt, daß die Weckmethode Ursache des Schadens war. So kamen wir glücklich aus der Schußlinie. Ganz so, wie wir das erwartet hatten, geschah auch dem Gefreiten Wedel nichts. Es wurde von der Sache keinerlei Auflebens gemacht. Eines Tages wurde von Leuten des Elektrowerkes in unserer Bude eine neue Asbestplatte angebracht. Damit war diese Angelegenheit erledigt. Vorsichtshalber erzählten wir niemandem etwas, auch nicht den übrigen Luftwaffenhelfern.
Am 2.8.1944 fuhren alle Besatzungen von Vierlingsgeschützen zum Schießplatz Mützenich im Hohen Venn, nahe Monschau. Dazu gehörte auch ich. Jeder unserer Züge war ausgestattet mit zwei Sologeschützen 2 cm Flak 30 und einem Vierlingsgeschütz 2 cm Flak 38. Ich war K (Kanonier) 3 beim Vierling, also der Ladekanonier, der die beiden in Schußrichtung links gelegenen Waffen mit Munition zu versorgen hatte. Die 20 Granaten fassenden Magazine waren in dickwandigen Blechkästen verstaut, die rings um das Geschütz in Nischen der Geschützturmbrüstung untergebracht waren. lm Idealfall wäre es Sache des K 5 gewesen, mir, während ich auf einem festen Sitz saß, der sich mit dem Geschütz drehte, die leeren Magazine abzunehmen und die vollen nachzureichen. ln gleicher Weise hätte auf der anderen Geschützseite der K 6 dem K 4 helfen müssen.
Dieser Ausschnitt stammt aus dem Buch: „Flaksoldaten“: Jugendliche als Luftwaffenhelfer bei der Flak im Westen und an der Ostfront von Wolfgang Heyll.
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